Betriebsunterbrechungsversicherung und Corona

Muss der Betriebsunterbrechungs-Versicherer für coronabedingte Ausfälle zahlen?

 

Gewerbliche Versicherungsnehmer, welche für das Risiko einer zwangsweisen Betriebsunterbrechung eine entsprechende Versicherung abgeschlossen haben, erwarten von ihrem Versicherer angesichts des bislang beispiellosen coronabedingten Lockdowns entsprechende vertragliche Entschädigungsleistungen.

Doch ist der Versicherer dazu tatsächlich verpflichtet?

Die Antwort lautet wie so oft: „Es kommt darauf an“.

Eine sichere Einschätzung ist schwierig, da die Corona-Pandemie durch die Gerichte noch nicht erschöpfend gewürdigt wurde. Indes gibt das Urteil des LG Mannheim vom 29.02.2020, AZ: 11 O 66/20 einen ersten Anhaltspunkt. Entscheidend sind die Versicherungsbedingungen. Ausweislich dieser verpflichtet sich der Versicherer, beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger eine Entschädigung zu leisten. Was meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Versicherungsbedingungen sind, wird unterschiedlich gehandhabt. Zum einen gibt es Bedingungswerke, welche pauschal auf die §§ 6, 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) verweisen. Andere Versicherungsbedingungen zählen die in diesen Vorschriften genannten Infektionskrankheiten explizit auf. Diese unterschiedliche Zitierweise macht den Unterschied.

Das aktuelle Coronavirus (Coronavirus SARS-COVID-2) ist in den Aufzählungen der §§ 6, 7 IfSG explizit nicht enthalten. Lediglich über die Generalklauseln der §§ 6 Abs. 1 Nr. 5, bzw. 7 Abs. 2 IfSG ist es als meldepflichtige Krankheit, bzw. Krankheitserreger eingestuft und zur Grundlage der bekannten Beschränkungen bzw. Verbote gemacht worden.

Entscheidend, ob der BU-Versicherer leistungspflichtig ist oder nicht, ist die Frage, ob Versicherungsbedingungen eine generalklauselartige Verweisung auf die §§ 6, 7 IfSG und damit auf namentlich nicht genannte und ggfs. erst zukünftig auftretende Krankheitserreger erhalten oder ob die Versicherungsbedingungen einen abschließenden Katalog meldepflichtiger Krankheiten, bzw. Krankheitserreger enthalten. Generalisierend kann gesagt werden, dass der Versicherer in der ersten Alternative leistungspflichtig ist, in der zweiten jedoch nicht. Das LG Mannheim hat unter vorbezeichneter Fundstelle in der Urteilsbegründung auch darauf abgestellt, ob die Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, dass auch ähnliche, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bekannte Infektionskrankheiten vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen oder der Versicherer sein Risiko gerade auf die explizit genannten Infektionskrankheiten beschränken wolle. In dem entschiedenen Fall lagen Versicherungsbedingungen zu Grunde, welche schlichtwegs die §§ 6, 7 IfSG zitierten, einschließlich der Generalklauseln. Das LG Mannheim hat sich in vorbezeichnetem Sinn entschieden, dass in diesem Fall auch namentlich nicht benannte Infektionskrankheiten mit in den Versicherungsschutz fallen sollten. Der Versicherer habe es selbst in der Hand, falls er eine Ausweitung dieses Risikos nicht wünsche, durch einen enumerativen Katalog selbiges auszuschließen.

Das Urteil des LG Mannheim darf an dieser Stelle auszugsweise zitiert werden wie folgt:

Bei dieser Auslegung könnte die Formulierung die in §§ 6,7 IFSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger entweder eine statische Verweisung auf die bei Vertragsschluss in diesen Normen aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger bedeuten oder im Sinne einer dynamischen Verweisung letztlich alle – auch bei nachträglichen Gesetzesänderungen – unter diese Vorschriften fallenden meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger umfassen. Für die letztgenannte Auslegung spricht, dass in diesen Bedingungen gerade keine enumerative Aufzählung von verschiedenen Erregern beziehungsweise Krankheiten erfolgte, sondern die §§ 6 und 7 IFSG in Bezug genommen werden. In § 6 Absatz 1 Nummer 5 IfSG findet sich jedoch eine generalklauselartige Formulierung, dass auch nicht nach den Nummern 1 bis 4 bereits meldepflichtigen bedrohliche übertragbare Krankheiten zu melden sind. Selbst der verständige Versicherungsnehmer dürfte in einem solchen Fall davon ausgehen, dass alle unter die §§ 6 und 7 IfSG fallenden Erreger und Krankheiten Grundlage der Betriebsschließung sein können. Erst recht wird er davon ausgehen, dass spätere Änderungen dieser Normen auf den Vertrag Anwendung finden. Das liegt auch im Interesse des Versicherers, da nicht ausgeschlossen ist, dass bestimmte Krankheiten aus diesem Gesetz zukünftig wieder herausgenommen werden. Gegen eine weite Auslegung spricht zwar das Interesse des Versicherers, die Auflistung nur auf bekannte Erreger und Krankheiten, gegen die bereits Medikamente und Impfstoffe zur Verfügung stehen, erstrecken zu wollen, nicht jedoch auf die bei Vertragsschluss unbekannten Erreger, um das Risiko im erträglichen Rahmen zu halten (vgl. Noll, jurisPR-VersR 4/2020 Anm. 1). Dem kann vorliegend indes nicht das entscheidende Gewicht beigemessen werden, da der Versicherer es selbst in der Hand hat, einen enumerativen Katalog an Erregern aufzunehmen. Die Verweisung greift aus Sicht der Kammer auch in dem vorliegenden Fall, obwohl bislang keine Änderung des enumerativen Katalogs der §§ 6 und 7 IfSG vorgenommen wurde, sondern diese um das SARS-Corona-Virus im Wege einer Rechtsverordnung nach § 15 Abs. 1 IfSG erweitert wurden. Diese Erweiterung ist speziell durch die Generalklauseln des § 6 Abs. 1 Nummer 5 IfSG und § 7 Abs. 2 IfSG vom Infektionsschutzgesetz vorgesehen und daher von der dynamischen Bezugnahme umfasst.

Wie so oft gilt es also auch in dieser Angelegenheit, sein Augenmerk auf das Kleingedruckte in den Vertragsbedingungen zu richten. Der Teufel steckt ja bekanntlich immer im Detail. Sollten Sie sich hinsichtlich der Versicherungsbedingungen unsicher sein, so empfiehlt sich vor Vertragsschluss die Nachfrage beim Anwalt Ihres Vertrauens.